CDSERIE GEHEIMNISSE DER H
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Selbst in die Kabelentwicklung hat Ge-
mein sich verstrickt. Einige der in seinen
Geräten verbauten Verbindungen werden
exklusiv für ihn gefertigt. „Ich war so ver-
rückt, dass ich mir für irrsinniges Geld ein
eigenes Referenz-Poti-Kabel hab machen
lassen“, erläutert der Überzeugungstäter.
Das ist sogar im kleinen Vollverstärker
R G 14 Edition drin. Sein Fazit: „Klanglich
genial, kaufmännisch katastrophal.“
Doch die Bauteile sind nur ein Punkt
unter vielen. Die Schaltungen, ihr A b -
gleich und das Energiemanagement sind
weitere. Dabei sei auch das Verhältnis von
Trafoleistung
und
Kondensatorgröße
wichtig. Ist Letztere zu groß gewählt, lei-
det die Lebendigkeit, umgekehrt fehlt die
Kraft, also das tonale „Drehmoment“.
Selbst wenn man alles richtig macht, ist
der Erfolg nicht garantiert: „Dann sitzt
man da, alles stimmt, und dennoch
kommt die Musik nicht richtig ‘rüber.“
W omöglich findet man ‘raus, dass ir-
gendein Relais nicht in der Lage ist, die
Energie in ihrer Geschwindigkeit passie-
ren zu lassen. Folglich hört man Relais ab.
Es kann aber auch sein, dass etwas in der
Mechanik misslungen ist, etwa ein Tran-
Einige Festmeter Schallplatten sorgen für Erbau-
ung - und bieten obendrein markante Klangbilder
■ Geburtsort: Duisburg
•Hobbies: fernöstliche Philosophie
und Tai Chi, W eltgeschichte, M ee-
resaquaristik mit Schw erpunkt auf
niedere Tiere wie W eichkorallen,
Schnecken und Garnelen
Ausbildung: Kaufmann, „die Schule
des Lebens"
Lieblingsküche: die japanische (be-
sonders Sushi, Sashim i, Sukiyaki)
•Lebensmotto: Immer mehr sein als
scheinen
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sistor an der fälschen Stel-
le sitzt, wo er Vibrationen
aufnimmt, die sich zum
Nutzsignal mischen und
dieses stören. Deshalb be-
ginnt man, Teile zu ent-
koppeln oder zu bedamp-
fen. Aber bitte nicht zu sehr, weil’s sonst
das Ausschwingverhalten beeinträchtigt
und die Kiste langweilig und öde tönt.“
Das Statement von Helmut Brinkmann,
dass ein HiFi-Entwickler ohne Beziehung
zur Musik kaum Geräte mit persönlicher
Ansprache des Hörers wird bauen kön-
nen, unterstreicht er „zu 100 Prozent“.
„Man nähert sich entweder von der mu-
sikalischen Seite an das Phänomen H iFi
an oder gar nicht“, so sein Credo. „Ich hab’
die Mouskouri mal in der Mercatorhalle
gehört. An einem Punkt hat sie ohne die
PA gesungen. Das war so
wunderbar, das vergesse ich
nie und versuche immer, et-
was von dieser Faszination
in meinen Geräten wieder-
herzustellen.“
Dafür beachtet Gemein
sogar die Metaebene. Seit seiner lugend
befasst sich der Duisburger, der einen star-
ken Hang zur fernöstlichen Lebensweise
und Philosophie hat, mit Metaphysik. Er
ist Tai Chi-Lehrer und folgt in allen Le-
benslagen den Geboten des Feng Shui.
Auch bei der Entwicklung, in der Gemein
die „unverstellten, natürlichen Gegeben-
heiten unseres Sonnensystems nachbilden
will“. Wie bitte? „Die Photonen des Son-
nenwinds treffen mit einem Rechtsdrall
auf die Erde“, erklärt er und führt aus,
„unser Nervensystem sowie unsere D N A
sind ebenfalls rechtsgewendelt. Wenn wir
Schwingungsmuster nachbilden, die dem
entsprechen, empfinden wir dies als na-
türlich und als angenehm“.
Nun haben wir zwar schon mal von
linksdrehenden Milchsäuren im Joghurt
gehört, aber noch nie von rechtsgewen-
delten Musiksignalen. Und wie soll das
überhaupt gehen? Durch winzige Asym -
metrien im Aufbau zum Beispiel, weil we-
der das Universum oder unser Gehirn
noch irgendetwas anderes in der Natur
symmetrisch ist. „Perfekt symmetrische
Verstärkerkonzepte - elektronisch wie
Im nächsten Heft:
W äh ren d e in e rW e rk sv isite in S ch o tt-
lan d sa g te Lin n -Le g e n d e Iv o rT ie fe n -
brun, w a s er bei H iFi w ic h tig fin d et
Dem edlen, schlicht
gestalteten Vollverstärker RG9 Mk IV Reference
sieht man kaum an. was in ihm steckt
von der Bauteileanordnung her - klingen
tot“, behauptet der Rheinländer.
Dass seine Vorgehensweise nicht von je-
dem verstanden oder auch verlacht wird,
stört Gemein inzwischen kaum noch. „Ich
liebe es, mich mit Dingen zu befassen, die
erst einige Jahrzehnte später Allgemein-
gut werden.“ Nun ja, da müssen wir wohl
noch ein wenig abwarten.
Die letzte Feinabstimmung behält sich
Gemein ohnehin selbst vor. Jede Kompo-
nente wird vor der Auslieferung von ihm
abgehört, wobei noch minimale Eingriffe
erfolgen, hier eine Dämpfungsmatte ver-
schoben, dort etwas C 37-Lack aufgetupft
wird. In gewissen Grenzen kann das Ge-
rät dabei sogar auf Kundenwünsche ge-
trimmt werden: „Wenn jemand ein etwas
intellektuelleres Klangbild wünscht, lässt
sich dieses ebenso bewerkstelligen wie ein
betont gefühliges“, sagt Gemein.
Solche Dinge kann sein Ingenieur nicht
mehr in Werten abbilden. Ansonsten ach-
tet man auf gute Daten, und Gemein gibt
gerne zu, dass ein Gerät, das im Labor
mies aussieht, vielleicht in Teilbereichen
interessant, aber über alles gehört nicht
richtig klingen könne. Doch sein Maß der
Dinge bleibt die menschliche Wahrneh-
mung, deren Komplexität sich ja auch
nicht mit Frequenzen, Dezibel und Pro-
zentwerten darstcllen lasse. „Selbst alte
Leute können problemlos erkennen, ob
ein Verstärker bis 50 oder bis 150 K ilo -
hertz überträgt“, ist er sich sicher, „obwohl
die vielleicht nur noch bis zehn Kilohertz
hören“. All das lässt Rolf Gemein in die
Entwicklung einfließen. Und man merkt,
sein wahrer Reichtum sind nicht die Sie-
mens-Kondensatoren. Der ist so schwer
fassbar wie manche seiner Theorien: Es ist
sein Erfahrungsschatz.
M atthias B öd e
» I c h w a r e i n e r d e r E r s t e n , d i e
B a u t e i l e a b g e h ö r t h a b e n «
16 STEREO 6/2011
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